Das Leben danach
Das Leben nach einer Herztransplantation (HTX) teilt sich auf in verschiedene ‘Zeitzonen’. Die kritischsten Phasen sind natürlich die ersten Tagen auf der Isolier-/Intensivstation und im allgemeinen wohl die ersten sechs Monate bis hin zu einem Jahr. Das Leben nach einer HTX wird vorerst durch intensive körperliche Hygiene (besonders im Mundraum), diversen Vorsichtsmaßnahmen im häuslichen aber auch im außerhäuslichen Bereich und durch regelmäßige ärztliche Nachsorgeuntersuchungen geprägt. Hinzu kommt für viele Betroffene und Angehörige auch eine gehörige Portion Angst und Unsicherheit, da man ja nichts falsch machen will.

---

Nach einer Herztransplantation (HTX) gibt es vieles zu beachten.

Bevor der frisch transplantierte Patient nach Hause kommt, sollte dort eine gründliche (jedoch nicht übertriebene) Reinigung vorgenommen werden, damit eine Infektionsgefahr durch schädliche Bakterien verhindert wird.

Im ersten Halbjahr ist aufgrund der erhöhten Ansteckungsgefahr darauf zu achten, dass

größere Menschenansammlungen in geschlossenen Räumen gemieden werden.

der öffentliche Nahverkehr nicht genutzt wird.

bei Arztbesuchen der Aufenthalt in Wartezimmern vermieden wird (ein verständiger Arzt bietet immer einen freien Raum an). Ansonsten nur mit Mundschutz, wegen der Ansteckungsgefahr durch andere kranke Patienten.

vor dem Betreten von Klinik, Krankenhaus etc. Mundschutz angelegt und Handschuhe angezogen werden (dies wird dem Patienten zur Verfügung gestellt bzw. kann verordnet werden. der Kontakt mit Tieren, insbesondere Katzen, gemieden wird (Infektionsgefahr, Toxoplasmose).

sich in dem unmittelbaren Wohnumfeld keine Topfpflanzen (Ausnahme gepflegte Hydrokulturen) befinden.

Ein sehr hohes Maß an Hygiene muss bei dem Umgang mit Lebensmitteln erfolgen, da gerade auch auf dem Wege eine große Infektionsgefahr besteht. Bei der Auswahl der Nahrungsmittel gelten ganz bestimmte Vorschriften. Nicht alles ist in den ersten sechs Monaten erlaubt.

In den ersten 6 Monaten nach einer HTX besteht die größte Gefahr, dass der Körper das fremde Organ abstößt, ein anderweitig begründetes Transplantversagen einsetzt oder eine Infektion stattfindet. Wobei zu bedenken ist, dass ein derartiges Risiko auch später nie völlig auszuschließen ist.

Schrittweise beginnt aber auch wieder ein ‘fast’ normales Leben. Wie jeder einzelne Patient damit umgeht ist sehr unterschiedlich. Der/die Eine wird noch von starker Vorsicht geprägt sein und sich fast schon ängstlich verhalten, der/die Andere beginnt relativ früh damit das ‘neue Leben’ aktiv und völlig normal anzugehen. Diese unterschiedlichen Verhalten sind völlig individuell und normal. Jeder so, wie er es für sich akzeptieren kann. Letztendlich ist jeder Mensch für sich selbst verantwortlich und soll somit auch Selbstverantwortung für sich übernehmen. Dies kann ihm niemand abnehmen, nicht die beste Lebenspartnerin / der besten Lebenspartner, nicht die freundlichste Ärztin / der freundlichste Arzt.

Mit Zunahme der zurückgewonnenen Leistungsfähigkeit, setzt für einen herztransplantierten Menschen häufig ein ganz neues Gefühl ein. Er merkt, dass sein jetziges Herz anders schlägt. Bei kurzzeitigen Belastungen ist sehr schnell ein Erschöpfungszustand erreicht. Wenn die betreffende Person nicht weiß, was da vor sich geht, könnte sie sehr schnell Angst bekommen, wieder in das frühere Stadium der jetzt besiegten Herzschwäche, zurück zu fallen.

Der Grund dafür liegt darin, dass das verpflanzte Herz nicht mehr mit Nervenbahnen verbunden ist und folglich nicht mehr vom Gehirn gesteuert werden kann. Die Bezeichnung dieses Umstandes lautet “denerviertes Herz”.

Setzt nun eine Belastung ein, reagiert das Herz verzögert. Es bekommt seine “Befehle”, schneller zu schlagen um die Pumpleistung zu erhöhen, nur noch über Botenstoffe aus dem Blut. Dies dauert um einiges länger als die in Sekundenbruchteilen erfolgten Befehle über die Nervenbahnen. Diese Verzögerung kann mehrere Minuten betragen. Dadurch bekommt der Patient bei kurzzeitigen Belastungen schnell ein Gefühl der Schwäche, ähnlich so, wie er es aus den Zeiten der noch vorhandenen Herzschwäche kennt.

Gleiches gilt in der Phase der Beruhigung. Auch hier dauert es etwas länger bis das Herz seine Leistung zurück nimmt und der Pulsschlag ruhiger wird. Auch ist der Ruhepuls eines transplantierten Herzen höher, gleiches gilt, aber häufig durch Medikamente bedingt, für den Blutdruck.

Dies alles ist nicht schlimm und wenn der/die Betroffene es weiß, kann er/sie sich sehr gut darauf einstellen. Nur, man muss es wissen, sonst bekommt man unnötiger Weise Angst um sein Herz und nimmt sich zu stark zurück, traut sich nichts mehr zu, in der Sorge um das neu gewonnene Leben, um das geschenkte Herz. Aber gerade das wäre fatal. Bewegung und ein angemessener Ausdauersport ist das, was das neue Herz am meisten benötigt um in Form zu bleiben. Nichts schadet mehr als zu viel Ruhe. Selbstverständlich immer vorausgesetzt, der sonstige Allgemeinzustand lässt es zu.

Wegen der oben beschriebenen Umstände ist zu bedenken, dass ein herztransplantierter Mensch anders trainieren muss wenn er eine angemessene körperlicher Leistungsfähigkeit zurückgewinnen will. Hinzu kommt, dass seine kurzfristige Leistung (z.B. bei einem kleinen Sprint) nie an der eines Nicht-Transplantierten heranreicht. Sehr wohl kann er aber ansehnliche Ergebnisse im Ausdauerbereich erreichen. Derzeit bekannte Untersuchungen zeigen, dass Herztransplantierte ca. 2/3 der Leistung nichttransplantierter Menschen gleicher Statur, gleichen Alters etc. erreichen können. Menschen die eine erfolgreiche Lungentransplantation hinter sich haben, erreichen z.B. dagegen bis zu 100 %.

Diese Gegebenheiten lassen die Frage zu, ob es sinnvoll und der Situation gerecht wird, herztransplantierte Menschen gleich zu stellen mit Herz-Kreislauf-Patienten, wenn es darum geht, nach einer erfolgreichen Transplantation  den Körper allmählich wieder aufzubauen. HTX-Patienten nahezu pauschal in eine Koronarsport-Gruppe zu verweisen, wie es häufig und leichtfertig durch Krankenkassen und dem Medizinischen Dienst der KK geschieht, wird den Gegebenheiten absolut nicht gerecht. Hier sind im Bedarfsfall andere, intelligentere Lösungen gefragt.


Herzansichten